Veranstaltung am Montag, 13. Januar, 19 Uhr, studio dumont, Breite Straße 72, Köln
Im Gespräch: Meike Mayer, Expertin für Ernährung und Bewegung im Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie (VGS)
Moderation: Marie-Anne Schlolaut
Beitrag im Magazin des Kölner Stadtanzeigers am 6. Januar 2020
Kasteien bringt nichts.
Essen gehört beim Abnehmen dazu, Stress dagegen blockiert
von Marie-Anne Schlolaut
Der Geschmack der Festmahle zu Weihnachten, Silvester, Neujahr liegt noch auf der Zunge,
besonders das cremige Vergnügen des grandiosen Desserts. Gut so. Dazu der köstliche Wein, welch ein Genuss. Bei manchen, ungerechterweise nicht bei allen, kneift nach diesen göttlichen Schlemmertagen der Hosenbund und der eh schon knapp sitzende Rock. Man könnte auch sagen „man sitzt gut im Fell“ wie es jüngst ein Freund formulierte. Das hört sich auf jeden Fall netter an als die dämliche Feststellung „Hast du zugenommen?“ oder die Selbstkasteiung „Mein Gott, ich habe ganz schöne Rollen“. Ja, es stimmt, das Fell spannt, man hat zugenommen, die Rollen sind praller gefüllt. Der erste Schritt nach dieser Erkenntnis ist: Kopf hoch. Meike Mayer, Expertin für Ernährung und Gesundheit, formuliert es so: „Tragen Sie die Röllchen mit Stolz. Und entscheiden Sie sich, ob es so bleiben soll oder ob Sie etwas verändern wollen.“ Die „Kopf-Hoch-Röllchen-Haltung“ sieht nicht nur schöner aus, sondern fühlt sich auch deutlich besser an, weil man auf andere positiv wirkt und die oder der Röllchen-Träger sensibel wird für das eigene Körperempfinden. Wer mit stolz erhobenem Haupt und der erotischen Schwungmasse (Prof. Dr. Ingo Froböse) in der Körpermitte das neue Jahr beginnt, kann sich in Ruhe überlegen, ob alles so bleiben soll wie erworben oder eben nicht? Die Antwort sollte man sich tunlichst selbst geben und nicht von anderen diktieren lassen. Der Vorteil liegt auf der Hand, denn alles, was andere meinen uns vorschreiben zu müssen, weckt Abwehr und Trotz. Das, was man mit sich selbst ausmacht, zieht man durch.
Diäten sind jedoch absolut ungeeignet für den Abschied von ein paar Pfunden zu viel. Nur ein Minimum zu essen und vom Gefühl her permanent Hunger zu schieben, führt gradlinig zum Scheitern. Mal eben fünf Kilo in zwei Wochen abspecken, damit der Top-Skianzug wieder passt, hat man vielleicht mal mit 17 geschafft, mit 40 und älter sind solche Träumereien utopisch, denn, so Meike Mayer: „Der Körper verändert sich im Lauf des Lebens. Dem kann man nur entgegen wirken, indem man den Stoffwechsel anfeuert.“ Wichtig ist es zu wissen, dass Betablocker, Blutdrucksenker, Antidepressiva und noch einige andere Medikamente „den Stoffwechsel dimmen“, so die Gesundheits-Expertin. Um ihn anzukurbeln, muss nicht zwangsläufig der Schweiß in Strömen fließen, sondern man sollte laut Meike Mayer vorrangig eins beherzigen: „Es ist absolut falsch, wenig zu essen. Richtig ist es, viel zu essen von den richtigen Lebensmitteln, damit der Körper genug Nährstoffe hat.“ Fehlen diese Nährstoffe dem Körper, dann schaltet der Stoffwechsel auf Schongang, verbrennt kein Fett mehr, sondern bunkert es ein. Der Organismus reagiert absolut logisch, denn ihm wird ja vorgegaukelt, dass der Mensch momentan darbt oder gar in Not ist - warum auch immer. Und weil der Organismus nicht weiß, dass sein Mensch gerade auf dem Abnehm-Tripp ist, legt er folgerichtig Reserven an für die angeblich bevorstehenden schlechten Zeiten, damit das Überleben gesichert ist. Vergleichbar reagiert der Organismus auch auf Stress. Meike Mayer: „Wer gestresst ist, bei dem stellt der Körper das Abnehmen an die hinterste Stelle. Es ist ihm nicht so wichtig, denn er muss vorrangig dafür sorgen, dass alle anderen Funktionen weiterhin möglichst reibungslos ablaufen.“
Wer das alles beherzigt und verinnerlicht hat, kann es locker angehen lassen. Mayer: „Bloß nicht jeden Tag auf die Waage stellen. Ein Mal pro Woche reicht. Das Gewicht ist eher nebensächlich, besser ist es zu beobachten, ob die Hose kneift oder der Rock spack sitzt.“ Der Blick auf den Zeiger der Waage stresst und gaukelt falsche Ergebnisse vor, denn: „Wenn ich reichlich Wasser getrunken habe, bringe ich schon 300 Gramm mehr auf die Waage.“ Wer in seinen Alltag zudem Bewegung einbaut und dadurch die Muskulatur aufbaut, auch der könnte blass werden beim Blick auf die Waage, denn Muskeln wiegen mehr als Fett. Aber Muskeln haben die wunderbare Eigenschaft, Fett zu verbrennen und den Stoffwechsel auf Trab zu bringen.
Um das zu erreichen, muss man nicht permanent um den Block hecheln oder Gewichte stemmen bis die Sinne schwinden, sondern den bewegten Alltag zelebrieren. „Das beginnt damit“, so Meike Mayer, „dass ich mir realistisch überlege, was ich in meinen Berufs-, Familien- und Freizeit-Alltag einbauen kann.“ Wenn das zu Anfang 15 Minuten strammes Gehen zum Bahnhof oder zum Supermarkt sind und man diesen Plan durchhält und sich nicht davon abbringen lässt, dann ist das ein guter Erfolg. Wer auf dem Bahnsteig steht und mal wieder auf den verspäteten Zug wartet, kann sich bis zum Eintreffen des Zuges die Zeit vertreiben, indem er die Treppen zum Bahnsteig mal rauf und runter läuft. Das ist kurzweiliger als Rumstehen, reduziert die angestaute Wut, lässt die Zeit schneller vergehen und schafft, wenn man endlich in der Bahn sitzt, ein gutes Gefühl. „Man denkt immer, das ist banal, aber das Bewusstsein für den Körper wird geweckt. Mit jeder Form von Bewegung aktiviert man die Kraftwerke der Zellen sowie alle Organe. Das spürt man und man spürt auch, dass es sich gut anfühlt.“ Nur mit diesem positiven Gefühl und der Erkenntnis, dass man sich nicht quälen, sondern einfach nur bewegen muss, lernt man so ganz nebenbei, dass Bewegung ein Gewinn ist und jeder zusätzliche Schritt ein Erfolgserlebnis.
Diese Erfolgserlebnisse kann man auch beim Essen zelebrieren. Meike Mayer weiß um die Not vieler Männer und Frauen, die ihr erklären, dass es schlichtweg unmöglich ist, im ganz normalen Berufsalltag für die Familie dies und jenes zu kochen und für sich selber eine andere, magere Variante auf den Tisch zu bringen. „Muss man auch nicht. Ich kann nach wie vor ein Stück Fleisch, Gemüse und Bratkartoffeln machen. Ich schaufle mir aber nur ganz wenige oder gelegentlich vielleicht gar keine Bratkartoffeln auf den Teller, weil Kohlenhydrate die Fettverbrennung hemmen. Das heißt: Ich muss nicht anders kochen, sondern es nur anders einteilen.“ Mayer erlebt es ziemlich oft, dass der Rest der Familie sich peu à peu auf den Ernährungsmodus desjenigen einstimmt, der ein paar Pfündchen abnehmen will. Und seltsamerweise hatte niemand das Gefühl, dass er auf etwas verzichten muss. Man sollte zudem klug planen, um sich auch dann gut und sinnvoll zu ernähren, wenn die Zeit knapp ist und man abends geschafft nach Hause kommt. In solchen Situationen putzt keiner mehr Gemüse oder hackt Petersilie, sondern greift zum Telefon und bestellt das Pizza-Taxi. Wer aber etwas Leckeres vorbereitet hat, kann es schnell in der Mikrowelle oder auf dem Herd warm machen, sich hinsetzen und genussvoll essen.
Allerdings sollte man sich nichts vormachen: Es ist schwer, alte Rituale los zu werden und all die Hindernisse zu umschiffen, die im Alltag auf die edelsten Vorsätze lauern, um sie zunichte zu machen. Es ist nun mal total bequem, auf dem Weg ins Büro kurz mal einen Abstecher zum Bäcker zu machen und zwei Hefeteilchen zu holen. Kann man ruhig gelegentlich machen, aber wenn es zum Ritual wird, dann passt sich die Figur über kurz oder lang dem Hefeteilchen an. Meike Mayer: „Rund 90 Tage brauchen Kopf und Körper, um umzulernen und den neuen Lebensstil zu akzeptieren und zu verinnerlichen.“ In diesen 90 Tagen ist Gefahr im Verzug und das Risiko, rückfällig zu werden, ziemlich groß. Das ist kein Zeichen von Schwäche und kein Grund sich zu schämen, sondern total normal. „Wie heißt es so schön bei Prinzessinnen: hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und das Ziel in den Blick nehmen“, so Mayer. Experten wie sie helfen dabei, indem sie Tipps und Methoden erklären, die jeder umsetzen kann. „Es geht nicht um das Gewicht, das die Waage anzeigt, und es geht auch nicht um eine bestimmte Konfektionsgröße, die mir vorschwebt, sondern es geht um Lebensqualität.“ Das beinhaltet, dass nichts verboten ist, Lebensmitteln nicht der Stempel „Du darfst nicht“ aufgedrückt wird, sondern dass man entdeckt, was es gutes Neues gibt. Dazu gehört auch, dass man auf der Geburtstagsfeier des Kollegen ein Stück von der Torte genießt. Das macht nicht satt, aber glücklich. Wer diese Mechanismen in seinen Lebensstil integriert, kommt nicht auf die Idee, dass das Omelett, das man sich danach abends zu Hause macht, eine Bestrafung für die Torten-Sünde ist.