„Bewegung ist das beste Medikament“ – der Leverkusener Anzeiger berichtet über die Herzgruppen im VGS
von Marie-Anne Schlolaut, veröffentlicht am Donnerstag, 27. Juni 2019
Wer vorher in die Herzsport-Gruppen ginge, könnte sich das „hinterher“ höchstwahrscheinlich sparen, weil er alles getan hat, um zu vermeiden, dass das Herz krank wird. Da man aber damit bereits anfangen müsste, wenn man keine Beschwerden hat und zudem keine Zeit, weil Beruf, Familie und alle weiteren Verpflichtungen einen zu sehr einspannen, findet kaum einer den Weg in dieses gesund machende und gesund erhaltende Vorher-Angebot.
Zu einem der größten Anbieter auf dem Gebiet spezieller Sportangebote nach einer Erkrankung des Herzens gehört der VGS, Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie, in Köln und Leverkusen. Der VGS Leverkusen hat seit über 25 Jahren das Konzept der Herzsport-Gruppenangebote differenziert ausgebaut und bietet allein über 60 dieser speziellen Trainingseinheiten pro Woche an. Die Nachfrage ist stetig steigend. Meike Mayer, Sportwissenschaftlerin mit Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln und Zusatzqualifikation für Herzpatienten, hat das Konzept entwickelt, das von 20 Herzgruppenleitern im VGS-Team umgesetzt wird für Männer und Frauen ab 30 bis hin zu 90. Bei jeder Sporteinheit ist ein Arzt vor Ort, was den Teilnehmern Sicherheit gibt. Sie können ihn während des Trainings fragen, ihn um Hilfe bitten, wenn es ihnen unwohl ist oder sich den Blutdruck messen lassen und danach entspannt weiter Sport treiben. Meike Mayer erlebt in ihrer über 25-jährigen Herzsport-Tätigkeit immer wieder, dass „ihre Patienten“ nicht nur die vom Arzt verordneten Reha-Einheiten besuchen, sondern „lebenslänglich“ bei ihr Sport treiben, weil sie wissen und spüren, dass es ihnen gut tut und sie gesund hält. Meike Mayer: „Bei mir sind Männer und Frauen, die sind mit 60 nach einem Infarkt gekommen und heute noch dabei mit ihren 80 und 90 Jahren.“
Wurde früher vor allem älteren Herzpatienten vom Arzt empfohlen, mal einen kleinen Spaziergang zu machen, so hat sich heute das Bild komplett verändert. Egal ob alt oder jung, es wird trainiert. Wobei die einen diszipliniert sind und die empfohlenen zwei Trainingseinheiten pro Woche pingelig einhalten, andere ein bisschen lax mit den Terminen umgehen, und die dritte Gruppe es aufgrund beruflicher Verpflichtungen manchmal nicht schafft, sich ihrer Gesundheit zu widmen. Berufstätige Frauen geraten da besonders oft in die Zeit-Zwickmühle. Meike Mayer: „Die Doppelbelastung aus Familie, Haushalt und Beruf macht vielen Frauen zu schaffen, sodass sie es oft nicht schaffen zu kommen.“ Sie tun sich und ihrer Familie damit keinen Gefallen.
Herzsporttraining heißt, nach einem ausgeklügelten, medizinisch und wissenschaftlich evaluierten Programm Herz und Gesundheit zu stabilisieren, damit nie wieder das Herz erkrankt. In Mayers Kurse kommen die, die einen Infarkt erlitten haben, aber der Großteil der Teilnehmer lebt mit einem Bypass, mit Stents, einer neuen Herzklappe oder nach einem Eingriff aufgrund von Herzrhythmus-Störungen. 90 Minuten, zwei Mal pro Woche, widerfährt dem Herzen im Training Gutes. „Wir bieten individuell dosiertes Ausdauertraining auf dem Ergometer oder aber laufen und gehen zügig in der Sporthalle. Zur Gymnastik gehört Kräftigen, Mobilisieren, Dehnen und zudem gut dosiertes Gerätetraining.“ Krafttraining für Herzpatienten war lange Zeit tabu, weil man dachte, dass Menschen mit einem geschädigten Herzen sich lieber schonen sollten. Heute weiß man es besser. Meike Mayer: „Kraft und Ausdauer werden gezielt gesteigert, damit die Teilnehmer im Alltag fit sind und dank gut trainierter Muskeln nicht ihre Belastungsspitzen ausreizen müssen.“ Sprich: Mit einer gut trainierten Beinmuskulatur schafft man die Treppen bis in die dritte Etage ohne oben schnaufend und erledigt anzukommen. Mehr noch: Regelmäßiger Sport trainiert die Blutgefäße, sodass sie wieder elastischer werden. Genauso wichtig wie Bewegung sind für die Herzgesundheit Ernährung und Gewichtsreduktion.
„Lange Zeit unterschätzt wurde“, so Meike Mayer, „dass Stress massiv krank machen und infarktähnliche Symptome zeigen kann. Ausgelöst werden diese Stress-Symptome nicht nur durch den Berufsalltag, sondern ebenfalls durch heftigen Streit oder einen Trauerfall. Viele kennen es unter dem Begriff Broken-Heart-Syndrom.“ Wie auch immer der Krankheitsverlauf ist, sei es organisch oder seelisch, „der Patient muss lernen, dass er sich nicht überfordert, aber auch nicht unterfordert“. Und die wichtigste Botschaft ist die: Sport wirkt wie ein Medikament, denn Bewegung ist die wertvollste Medizin.